„Eigentlich ist Sport das, was alles überkommen kann“

Sanja Liebermann ist Basketballspielerin beim Sportverein Roter Stern Leipzig. Im Gespräch erzählt sie, warum es linke Sportvereine braucht und was Sport für unser gesellschaftliches Zusammenleben leisten kann.

Felix Jakobs führte das Interview.


Was macht dir besonders Spaß am Basketball?

Also besonders Spaß macht mir, dass es ein kontaktloser Sport mit fairen Regeln ist. Ich mag das Rennen, das Dribbeln, das Werfen und besonders bei meinem Team in der letzten Saison habe ich auch den Spirit sehr gefeiert. Das habe ich aber eigentlich immer beim Basketball erlebt, dass es wirklich ein schöner Spirit auf dem Court ist und dass man das auch in allen Städten draußen spielen kann. Auf dem Freiplatz alleine kann man auch Menschen kennenlernen. Ich habe meinen Mann auch über Basketball kennengelernt. Wir lieben Basketball einfach.

Wie bist du zu Roter Stern Leipzig gekommen?

Ich habe meinen Mann damals kennengelernt, als ich im Internet nach Leuten gesucht habe, die Bock haben, mit mir eine Street-Ball-Gruppe zu gründen. Darauf hat er sich gemeldet und er wusste, dass in einer Schule in unserer Nachbarschaft Basketball gezockt wird. Da bin ich dann mitgegangen und habe dann da erfahren, dass es der Rote Stern ist. Ich fühlte mich dann gleich wohl, weil man ja wusste, wie der rote Stern so politisch eingestellt ist. 

Sanja Liebermann 

ist 42 Jahre alt, verheiratet, hat ein erwachsenes Kind. In ihrem Alltag ist sie als selbstständige Beraterin im Bereich der Bildungsentwicklung tätig. Ihre sportliche Leidenschaft aber, ist das Basketballspielen. Sie spielt in der FLINTA*-Gruppe (das Akronym steht für Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, transgeschlechtliche und agender Personen) des Roten Stern Leipzig, einem antifaschistischen Sportverein aus Connewitz.

Warum hast du dich dann für den Roten Stern entschieden und nicht für einen anderen Sportverein?

Wir haben in Connewitz gewohnt und dort war auch die Halle. Das Zocken war damals noch überwiegend cis-männlich und ich wollte dann auch mal in einem Frauenteam spielen und ich bin dann auch mal zu einem anderen Verein gegangen. Ich würde aber sagen, da hat mir das Politische einfach ein bisschen gefehlt und darauf kann ich mich in meiner Sektion beim Roten Stern verlassen, dass Politik eine Rolle spielt.

Was unterscheidet die Arbeit von Roter Stern Leipzig von anderen Sportvereinen?

Im Grundsatz ist es ein basisdemokratisch organisierter Verein, zumindest von der Haltung her. Das liegt einfach an der Entstehung, die ja jetzt auch 25 Jahre her ist. Das war eine Gruppe von Leuten, die aus einem linken Milieu kamen und die haben sich im Plenum getroffen und so ihre Probleme ausdiskutiert und das ist eigentlich von der Idee her nie verschwunden. Auch wenn es strukturell jetzt ganz anders aussieht, aber die Idee, dass es keinen Chef gibt, die spielt eine große Rolle beim Stern.

Warum braucht es einen Verein wie Roter Stern Leipzig?

Vielleicht mit dem aktuellen Blick auf Sachsen und Thüringen kann ich sagen, so ein Verein stärkt natürlich ungemein die Menschen, die sich darin organisieren, weil sie gerade nicht auf einem verlorenen Posten sind, sondern genau wissen, dass da Menschen sind, die hinter ihnen stehen.

Was wünschst du dir in Zukunft für den Sport in Ostdeutschland?

Mehr FLINTA*-Fußball. Wir haben echt Schwierigkeiten mit dem Verband, weil der Verband nur binäre Geschlechter erlaubt und das kann nicht sein. Das kann einfach nicht sein. Nicht wenn wir schon auf Bundesebene so weit sind, dass wir ein drittes Geschlecht, zumindest divers, anerkennen. Gefühlt ist es Schikane. Sport an sich darf ja unpolitisch sein, das ist ja das große Schöne, was wir bei Olympia immer wieder erleben. Da kann sich die ganze Welt jenseits von diesen nationalen Grenzen messen. Im Prinzip geht es darum, aus dieser Welt eine friedliche blaue Perle zu machen. Und wenn man dann aber doch in Verbänden politische Interessen durchsetzt und es nicht human zugeht, dann ist das problematisch.

Es ist so mühselig, dass wir gerade mit dem Thema Rassismus wieder so viel zu tun haben; mir kommt wirklich das Kotzen. Das ist richtig, richtig schlimm und eigentlich ist Sport das, was alles überkommen kann. Da sind wir in Kontakt, da müssen wir nicht miteinander sprechen, da haben wir klare Regeln, da haben wir klare Grenzen, da können wir aber auch unsere Freiheit ausleben und ich wünsche mir, dass der Sport ein Ort ist, an dem Frieden praktiziert wird. 

Von der Jugendweihe in Köln bis zur Aktivistin in der sächsischen Provinz, für die Ostproben Aufnehmen haben die Studierenden des Masterstudiengang Multimedia und Autorschaft der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg mit 18 Menschen gesprochen. Sie wollten herausfinden, wie die Menschen sich und die Zuschreibungen an den Osten sehen. Dabei werden Stereotype bestätigt und hinterfragt, Realitäten eingefangen, Vergangenes und Utopien angesprochen. 

Über OSTPROBEN

Ist Osten nur eine Himmelsrichtung oder eine Frage von politisch-gesellschaftlichen Realitäten? Mit dieser Frage hat sich der aktuelle Jahrgang des Masters Multimedia und Autorschaft (MMA) im Sommer 2024 unter der Leitung von Maren Schuster und Christian Stewen journalistisch auseinandergesetzt.

Ankerpunkt war das Festival OSTEN (1. Bis 16. Juni 2024) in Bitterfeld-Wolfen. Die Studierenden sind für die Festivalbeiträge gemeinsam mit den beiden Wissenschaftler*innen den Fragen nach Zuschreibungen an den Osten nachgegangen und haben dafür im Sommer 2024 in Bitterfeld, Wolfen, auf dem Festival und anderswo ‚Ostproben‘ gesammelt.

Ein Projekt mit

Felix Jakobs
Master Multimedia und Autorschaft

In Kooperation mit

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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