Mahmoud Abadi (*Name geändert) erzählt über die Erfahrung, als angehender Arzt aus dem Ausland in Ost-Deutschland anzukommen. Im Interview geht es darum, wie er sich in Ost-Deutschland vor dem Hintergrund des hohen Wahlerfolgs der AfD fühlt und wie er seine Zukunft als Arzt in Deutschland sieht.
Louis Auvray führte das Interview.
Disclaimer: Um die Kommunikation nicht zu erschweren, ist das generische Maskulin verwendet worden.
Du bist im April aus Syrien direkt nach Leipzig gezogen. Warum Leipzig?
Als erstes habe ich mich für Sachsen entschieden, weil es hier etwas klarere Schritte gibt, um meine Zeugnisse aus dem Medizin-Studium anerkennen zu lassen. Leipzig habe ich gewählt, weil Leipzig spannender und eine jüngere Stadt ist.
Welche waren andere Orte in Sachsen, wo du hättest hingehen können?
Zum Beispiel Dresden. Ich wohne zurzeit in Dresden, mir gefällt hier die Ruhe, die grüne Natur und die gute Luftqualität. Auch für junge Menschen gibt es hier viel zu erleben. Allerdings glaube ich, dass es in Leipzig weniger Rassismus gibt, als in Dresden. Hier ist die AfD sehr aktiv und jede Woche gibt es eine Demonstration gegen Ausländer.
Mahmoud Abadi
ist 29 Jahre alt und im April aus Syrien nach Leipzig gekommen, um hier seinen Werdegang als Facharzt für Kardiologie fortzusetzen. Er hat in Syrien bereits Medizin studiert und zwei Jahre Berufserfahrung in der Kardiologie und Inneren Medizin hinter sich. In Deutschland lernt er derzeit für sein Fachsprachen-Zertifikat.
Gab es eine spezielle rassistische Situation, die du erlebt hast?
Nein, die habe ich nicht erlebt. Aber manchmal sind die Menschen nicht so freundlich und ich habe bereits Menschen laut „Ausländer raus“ sagen hören.
Welche sind derzeit die größten Herausforderungen für dich, um in Deutschland anzukommen?
Einen Mini-Job zu finden, das ist für mich sehr anstrengend und sehr stressig. Ich glaube, man braucht mehr Zeit, um die eigenen Deutsch-Kenntnisse zu verbessern. Man braucht zudem sehr viel Geld, um zu leben. Zudem bin ich in einer neuen Kultur und die Sprache ist neu für mich. Das alles braucht Zeit und das braucht auch Geduld von deutschen Menschen.
Die Ungeduld, wo bemerkst du die?
Zum Beispiel, wenn Menschen zu mir sagen, dass ich einen Übersetzer nehmen soll. Stattdessen könnten die Menschen hier selbst ein bisschen langsamer sprechen und versuchen, uns Syrer besser zu verstehen. Denn wir haben Deutsch selbst in Syrien gelernt. Dort gibt es keine deutsche Botschaft oder Schule, die uns dabei unterstützt. In Sachsen sprechen die Menschen sehr schnell und noch dazu Dialekt.
Nimmst du oder nehmen deine Bekannten aus Syrien die Ungeduld auch in Bezug auf die Karriere als Arzt wahr?
Ich habe von Bekannten öfter gehört, dass Menschen sagen: „Nein, wir brauchen keinen ausländischen Arzt, wir brauchen einen deutschen Arzt“. Das ist ein Problem, denn Deutschland sieht meine Zeugnisse an und nimmt mich als Arzt ernst. Wir haben sehr gute Erfahrungen und Kenntnisse in Syrien, eigentlich brauchen wir hier vor allem Fachdeutsch. Für uns ist eine gute Bezahlung und das Lernen über neue Geräte oder Techniken interessant. Auf der anderen Seite brauchen Deutsche mehr Ärzte, weil es hier einen Ärzte-Mangel gibt.
Für uns alle hier, als Ausländische und als Deutsche, für Alle gibt es Vorteile. Wir müssen zusammen arbeiten, um das zu schaffen, damit wir ausländischen Fachkräfte schneller lernen und uns besser in die Arbeit integrieren können.
Was denkst du zum hohen Wahlerfolg der AfD mit Bezug auf das Wohnen in Sachsen? Hat das etwas in Bezug auf den Gedanken, in Sachsen wohnen zu bleiben, verändert?
Nein, meine Erfahrung mit jungen Menschen in Leipzig war sehr nett und freundlich. Aber ich habe bemerkt, dass viele Jugendliche die AfD unterstützen. Das überrascht mich. Es gibt viele junge Leute in den Straßenbahnen in Leipzig und Dresden, die zum Beispiel sagen, dass die Menschen die AfD unterstützen sollen, um ihr Recht zu erhalten.
Ich glaube, in Zukunft gibt es viele Dinge, die eine Rolle in meiner Entscheidung spielen, hier zu bleiben oder nicht. Zum Beispiel meine erste Stelle in einem Krankenhaus. Ich habe mehr als zwei Jahre in der Kardiologie in Syrien gearbeitet. Es gibt Städte, die das anerkennen. Aber hier in Sachsen geht das nicht.
Was wünschst du dir zukünftig für das Zusammenleben mit den Menschen in Ostdeutschland?
Ich denke, die Menschen hier müssen verstehen, dass es sehr stressig ist, wenn man hier neu und ausländisch ist. Wenn man zu uns freundlicher ist und uns mehr Verständnis zeigt, können wir schneller Deutsch lernen, soziale Beziehungen besser verstehen und uns besser integrieren.
Ich kenne zum Beispiel Menschen, die wollen etwas fragen oder sagen, aber haben Angst vor rassistischen Aussagen oder Ablehnung. Dabei können Ausländer und Deutsche etwas von der Zusammenarbeit lernen.
Danke für das Interview.
Vielen Dank.
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Von der Jugendweihe in Köln bis zur Aktivistin in der sächsischen Provinz, für die Ostproben Aufnehmen haben die Studierenden des Masterstudiengang Multimedia und Autorschaft der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg mit 18 Menschen gesprochen. Sie wollten herausfinden, wie die Menschen sich und die Zuschreibungen an den Osten sehen. Dabei werden Stereotype bestätigt und hinterfragt, Realitäten eingefangen, Vergangenes und Utopien angesprochen.
Über OSTPROBEN
Ist Osten nur eine Himmelsrichtung oder eine Frage von politisch-gesellschaftlichen Realitäten? Mit dieser Frage hat sich der aktuelle Jahrgang des Masters Multimedia und Autorschaft (MMA) im Sommer 2024 unter der Leitung von Maren Schuster und Christian Stewen journalistisch auseinandergesetzt.
Ankerpunkt war das Festival OSTEN (1. Bis 16. Juni 2024) in Bitterfeld-Wolfen. Die Studierenden sind für die Festivalbeiträge gemeinsam mit den beiden Wissenschaftler*innen den Fragen nach Zuschreibungen an den Osten nachgegangen und haben dafür im Sommer 2024 in Bitterfeld, Wolfen, auf dem Festival und anderswo ‚Ostproben‘ gesammelt.
Ein Projekt mit
Louis Auvray
Master Multimedia und Autorschaft
In Kooperation mit
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg