Unsichtbares Schrumpfen

Wolfen-Nord – früher ein Stadtteil für viele Arbeiter:innen, heute geprägt von Leerstand und Abriss. Was übrig bleibt, sind vereinzelt Gebäude und Erinnerungen an eine andere Zeit.

Ein Projekt von Kio Weck und Annika Seiferlein.

Wir sind in Bitterfeld-Wolfen. Genauer: Im Ortsteil Wolfen-Nord. Einst lebten dort mehr als 35.000 Menschen. Viele junge Familien sind dort in den 1960ern in ihre ersten Wohnungen gezogen, als die Stadt das Plattenbauviertel extra für Arbeiter*innen erbaut hatte.

Ganz in der Nähe waren das Chemiekombinat und die Filmfabrik. Für die benötigten Arbeitskräfte ist eine neue Siedlung mit mehr als 13.000 Wohnungen entstanden. Wolfen selbst liegt drei Kilometer südlich. Doch nach der Wende änderte sich die Einwohner*innenstruktur rapide. 1989 hatte Wolfen-Nord 35.000 Einwohner*innen, Ende 2008 waren lebten nur noch ein Drittel der Menschen dort und Ende 2018 nur noch 6.600.

Viele Häuser sind inzwischen komplett abgerissen. Auf ihren Verbleib verweist fast nichts mehr. Manchmal leerstehende Gebäude der Stadt, manchmal ein Weg ins Nichts oder nur eine Laterne mitten auf einer Wiese. Das einstige Schrumpfen des Stadtteils ist heute fast unsichtbar. Das Video entstand im Sommer 2024 in der Nähe der Bobbauer Straße. Dort ist von den einst 1286 Wohnungen keine mehr übrig.


Im Sommer 2024 haben sich Studierende des Masters Multimedia und Autorschaft der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg mehrfach nach Bitterfeld und Wolfen begeben, um die Orte und Menschen kennenzulernen. Ausgehend von Gesprächen mit Menschen aus Kultur, Medien und Zivilgesellschaft, haben sie Reichtum, Freiräume und Leises dokumentiert. Die Aussage „die Lauten sind nicht immer die Mehrheit” (anonym) hat den Impuls gegeben, nachzuforschen, was und wer leise und unsichtbar in Bitterfeld und Wolfen ist.

Über OSTPROBEN

Ist Osten nur eine Himmelsrichtung oder eine Frage von politisch-gesellschaftlichen Realitäten? Mit dieser Frage hat sich der aktuelle Jahrgang des Masters Multimedia und Autorschaft (MMA) im Sommer 2024 unter der Leitung von Maren Schuster und Christian Stewen journalistisch auseinandergesetzt.

Ankerpunkt war das Festival OSTEN (1. Bis 16. Juni 2024) in Bitterfeld-Wolfen. Die Studierenden sind für die Festivalbeiträge gemeinsam mit den beiden Wissenschaftler*innen den Fragen nach Zuschreibungen an den Osten nachgegangen und haben dafür im Sommer 2024 in Bitterfeld, Wolfen, auf dem Festival und anderswo ‚Ostproben‘ gesammelt.

Ein Projekt mit

Annika Seiferlein
Kio Weck

In Kooperation mit

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Weitere Themen

  • Projekt: Kulturpalast Bitterfeld
  • Projekt: Bernstein
  • Projekt: Bild vom Osten